Den größten Einfluss auf den Klang eines Saxophons nehmen Blatt, Mundstück und S-Bogen. Zwar entsteht das, was der Zuhörer wahrnimmt, vornehmlich im Kopf des Musikers, seine Klangvorstellung setzt sich durch, doch die Auswahl des Material unterstützt die Arbeit des Instrumentalisten.
Der Ton des Saxophons entwickelt sich in der Mundhöhle des Musikers: in ihr befindet sich das Mundstück, hier versetzt der Luftstrom das Blatt in Schwingung. Da die körperlichen Eigenschaften der Musiker niemals dieselben sind, klingt ein und dasselbe Blatt oder auch Mundstück stets ein wenig anders, je nachdem wer es gerade anbläst. Diese Tatsache muss man sich vor Augen halten, wenn man über Blätter, Mundstücke, S-Bögen und dergleichen schreibt oder liest. Aufnahmen geben immer nur die jeweilige Beziehung zwischen Material und Musiker wieder, nie jedoch allgemeingültige Eigenschaften des verwendeten Equipments.
Der S-Bogen des Saxophons stellt das Bindeglied dar zwischen dem Mundstück und Blatt auf der einen sowie dem Korpus des Instrumentes auf der anderen Seite. Bohrungsverlauf, Material und Beschaffenheit des S-Bogens, seine Geometrie, legen die akkustischen Eigenschaften des S-Bogens fest und färben maßgeblich den Klang. Durch die Wahl eines bestimmten S-Bogens erhält das Saxophon seine Eigenschaften, den Grundklang. Es gibt S-Bögen mit geringerem oder höheren Blaswiderstand. Wie hoch dieser Widerstand ausfällt, sagt wenig über die Güte des betreffenden SBogens aus. Der jeweilige Blaswiderstand ist eine Eigenschaft, die der Musiker, nach eigener Vorliebe und Klangvorstellung, sucht und für die er sich bewusst entscheidet.
Einige namhafte Hersteller bieten unterschiedliche S-Bögen für ihre Saxophonmodelle an. Die Firma Yanagisawa beispielsweise produziert seit Jahrzehnten S-Bögen in unterschiedlicher Materialauswahl und Bohrung. Es gibt mehrere kleinere Unternehmen, die überwiegend S-Bögen in bester handwerklicher Tradition herstellen. Aus der Reihe bekannterer Werkstätten seien genannt: Bösken, Forestone, Gloger, Inderbinen, KB-Necks, Schucht.
Die Firma Yamaha stellt ebenfalls seit etlichen Jahren, unter wechselnden Modellbezeichnungen und Designs, verschiedene S-Bögen für ihre Saxophonmodelle her: die sogenannten Custom Saxophon SBögen.
Gegenwärtig, März 2022, bietet Yamaha drei S-Bögen an, in Messing oder Vollsilber und in vier Oberflächen: unlackiert, Goldlack, versilbert und vergoldet. Die Bögen unterscheiden sich grundsätzlich im Verlauf ihrer Bohrungen: der sogenannte V1-Bogen steht für einen weiten, der E1 den mittleren und der C1 einen engeren Bohrungsverlauf.
Die Firma Yamaha erläutert:
“Der V1 S-Bogen hat die größte Bohrung aller Yamaha Custom S-Bögen. Er ist sehr offen und frei, bietet ein großes dynamisches Spektrum und einen kernigen Klang mit einer Fülle von Obertönen. Der E1 S-Bogen mit einer mittleren Bohrung lässt sich leicht kontrollieren, bietet eine schnelle Ansprache und eine hervorragende Klangfarbe. Dieser vielseitige S-Bogen ist perfekt für Musiker, die durch die Flexibilität ihren individuellen Klang spielen können.
Der C1 S-Bogen hat die kleinste Bohrung aller Yamaha Custom S-Bögen. Er ist leicht zu beherrschen und spricht schnell an. Er bietet eine etwas dunklerre Klangfarbe und einen kernigen Ton.
Durch das große dynamische Spektrum und die erhöhte Flexibilität verleihen die Sterling Silber SBögen dem Instrument einen lebendigeren Klang.”
Mir liegt mittlerweile der vollständige Satz dieser Yamaha Custom S-Bögen vor. Im Laufe der vergangenen Jahre erwarb ich nach und nach die einzelnen Bögen. Ich verwende sie auf meinen Yamaha 82Z WOF UL sowie 875EX Alto- und Tenorsaxophonen.
Die zuvor erwähnte Erklärung der Fa. Yamaha beschreibt die Eigenschaften der jeweiligen Bögen treffend. Es seien nachfolgenbd allerdings noch einige Anmerkungen und Erläuterungen hinzugefügt. Zunächst: alle Bögen sind handwerklich auf allerhöchstem Niveau gefertigt, so wie auch die oben genannten Saxophone dieses Herstellers!
Die Krümmungen der S-Bögen sind so gewählt, dass Kopf und Kinn des Musikers eine vollkommen waagerechte Position einnehmen. Diese Haltung erzeugt während des Anblasens eine offene Stellung des hinteren Rauchenraumes sowie des Kehlkopfes: sie fördert einen sonoren Klang und die sichere Kontrolle der Intonation.
Die Wandstärke aller S-Bögen liegt auf mittlerem Niveau. Die Ansprache der S-Bögen ist schnell und unmittelbar. Die Unterschiede zwischen den Bögen sind diesbezüglich weitaus geringer als erwartet: der offene V1 nimmt ein wenig mehr Luft auf, sein Blaswiderstand ist zugleich etwas geringer als der des engeren C1. Grundsätzlich gilt jedoch: alle hier vorgestellten S-Bögen verlangen keinen erhöhten Kraftaufwand. Die Unterschiede im Widerstand sind spürbar, drängen sich aber keinesfalls in den Vordergrund. Die Tonkontrolle fällt leicht aus, da der Blaswiderstand zwar recht gering bemessen ist, jedoch immer noch genügend Halt gibt, um eine sichere Klangestaltung zu ermöglichen.
Den S-Bögen ist weiterhin eine äußerst weite dynamische Spanne gemeinsam: dabei erklingt der V1 nicht lauter als der C1 oder E1 S-Bogen. Alle Bögen sind geeignet, auch ohne Mikrofonierung den größten Saal mit einem kraftvollen Ton zu füllen. Diese Bögen sind präsent! Der V1 wirkt klanglich wuchtig, sehr offen und rund, extrem voluminös; der C1 dichter, gebündelter, gewissermaßen komprimierter. Der E1 liegt genau in der akustischen Mitte zwischen dem V1 und C1 S-Bogen.
Tatsächlich verändern sich Intonation, Colorit und Definition mit den unterschiedlichen Bohrungen: der V1 erfordert eine höhere Konzentration, um eine ausgeglichene Intonation zu erreichen. Dieser Bogen intoniert nicht schlecht, aber aufgrund seiner Flexibilität bricht die Intonation in den höheren und tieferen Lagen eher aus, wenn Aufmerksamkeit und Kontrolle des Musikers nachlassen. In diesem Zusammenhang der Hinweis: das Intonationsverhalten eines Saxophones hängt maßgeblich vom Verhältnis zwischen der Bohrung des S-Bogens und des verwendeten Mundstückes ab. Auch die Wahl des Blattes beeinflusst das Intonationsverhalten. Mit geeignetem Mundstück lässt sich das Intonationsverhalten des V1 S-Bogens durchaus ein ganzes Stück stabilisieren: mit den Theo Wanne Gaja oder auch Ambika, zwei Mundstücken größerer Kammer, erzielte ich feine Ergebnisse. Legere Signature Synthetikblätter intonieren ebenfalls präzise.
Der C1 ermöglicht das ausgeglichenste Intonationsverhalten: die Töne springen sehr genau in der richtigen Höhe an. Dort liegen sie äußerst stabil: dieser S-Bogen intoniert wirklich herrausragend! Der E1 liegt bezüglich des Intonationsverhaltens zwischen dem V1 und C1: er bietet Flexibilität und intoniert dennoch zuverlässig und recht ausgewogen.
Während der V1 einen großen, weiten, sehr brillianten Ton ermöglicht, ohne jedoch hohl, schrill oder blechern zu tönen, gestatten der E1 und mehr noch der C1 S-Bogen, ein dunkleres, sehr farbiges Klangbild mit einem wesentlich komplexeren Colorit. Die enger gebohrten E1 und C1 Bögen intonieren nicht nur ausgewogener, sie definieren den Ton präziser, der Klang ertönt fokussierter und konturierter.
Alle drei Bögen sind gleichmaßen komfortabel zu blasen. Sie eröffnen dem Musiker vergleichbare Lautstärken und entsprechende dynamische Spannweiten. Die beschriebenen Unterschiede der Bohrungen beziehen sich auf den Bohrungsverlauf: es geht um die Weise, in der sich der jeweilige Bogen von seinem Einlauf bis zur Steckhülse hin allmählich weitet und öffnet. Die Geometrie der Bohrung definiert die Eigenschaften. Das Volumen der S-Bögen, die Weite ihrer Bohrungen resultiert aus dem jeweiligen Verlauf: der V1 weist einen nahezu gleichmäßig konischen, lineareren Bohrungsverlauf aus, der ein größeres Volumen verursacht. Der C1 und ebenso der E1 Bogen, verfügt in seinem vorderen Drittel, also unmittelbar nach dem Einlauf, über einen wesentlich flacheren und somit engeren Bohrungsverlauf: der Konus des Bogens weitet sich deutlicher erst etwa im zweiten Drittel der Bohrung: dadurch entstehen die geringeren Volumen dieser beiden S-Bögen. Es verhält sich also ein wenig wie bei Saxophonmundstücken: neben der Bahn nehmen nicht nur die Größe der Kammer, sondern auch ihre Gestalt Einfluss auf Ansprache, Stimmung und Klang.
Die Qualität der drei S-Bögen liegt auf höchstem Niveau. Die Unterschiede zwischen ihnen sind weniger in der Ansprache, sondern vielmehr im Intonationsverhalten, im Klangvolumen, der Klangstruktur sowie dem Colorit zu suchen. Die Definition des Tones differiert. Der Wechsel zwischen den S-Bögen ist recht einfach und ermöglicht daher, bei grundsätzlich sehr ähnlichem Spielverhalten, dem Grundklang eines Yamaha 82Z oder 875EX eine andere Prägung zu geben. Ein Yamaha Modell 62 gewinnt durch die Verwendung eines der drei Bögen ganz erheblich an Format, klanglicher Qualität. Es ist möglich, sofern die Maße der Steckhülse und der S-Bogen Aufnahme kompatibel sind, diese SBögen auch auf Saxophone einiger anderer Hersteller zu montieren: das Selmer Super Action 80 Serie II Tenorsaxophon klingt in der Kombination mit einem Yamaha Custom V1 S-Bogen bemerkenswert! Experimente lohnen!
Ich selbst bevorzuge die E1 und C1 S-Bögen, da ich ein komplexeres, definierteres und fokusierteres Klangbild mit feinem Colorit erstrebe, überdies die stabilere und präzisere Intonation der beiden Bögen sehr überzeugt. Der E1 Bogen stellt aus meiner Sicht den gelungensten Kompromiss aus den Parametern Flexibilität, Colorit und präziser Intonation dar. Wer häufiger zwischen musikalischen Genres hin und her springt, dem sei der E1 Bogen empfohlen oder aber die abwechselnde Verwendung
der V1 und C1 Bögen.